09. April 2018
Brachiale Initiative gefährdet unser Geldsystem
Die Vollgeld-Initiative verlangt, dass elektronisches Geld nur noch von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) geschaffen werden darf. Die Vorlage ist ein Hochrisiko-Experiment, das die Unabhängigkeit der Nationalbank aufs Spiel setzt und Finanzdienstleistungen und Kredite unnötig verteuert. Den Preis dafür zahlen KMU und Privathaushalte.
Volkswirtschaftliche Experimente sind keine Sandkastenspiele. Das Absturzrisiko und die Fallhöhe sind hoch. Mit Vollgeld würde die Schweiz völliges Neuland betreten, denn kein Land hat ein vergleichbares System getestet. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn es um eine unbedeutende Reform ginge. Doch die Initiative will erstens den Geld- und Kreditkreislauf komplett umkrempeln, der für das Funktionieren einer arbeitsteiligen und internationalen Wirtschaft absolut zentral ist. Zweitens verlangt sie, dass die SNB künftig Geld in Umlauf bringt, indem sie es direkt an Bund, Kantone und Bevölkerung verschenkt. Beide Vorschläge sind desaströs für unseren Wohlstand.
Aber der Reihe nach: Die Vollgeldinitiative will die heutigen Lohn- oder Kontokorrentkonti verbieten. Die so genannten Sichtguthaben müssten künftig – ähnlich einem Kundendepot – ausserhalb der Bilanz geführt werden. Dass das mit hohen Gebühren verbunden wäre, verschweigen die Initianten. Sie erhoffen sich, dass künftig keine Bank runs mehr stattfinden werden, weil bei einem Konkurs niemand Angst um sein Geld haben müsste. Doch dies betrifft lediglich die Vollgeldbestände, nicht aber die Sparguthaben. Die Banken werden daher nicht unbedingt stabiler. Auch in einem Vollgeldsystem kann es zu einer Immobilienblase kommen und es würde eine Finanzmarktkrise wie 2008 nicht verhindern. Schliesslich sind gefährliche Kettenreaktionen nach wie vor möglich. So könnte ein Konkurs einer Bank einen Vertrauensverlust auslösen und dazu führen, dass Kunden anderer Banken ihre Sparanlagen nicht verlängern. Weil die Kredite wohl auch künftig meist längere Laufzeiten als Spargelder aufweisen, würden diese Banken rasch Liquiditätsprobleme erhalten.
Unnötig und kontraproduktiv
Die Schweiz ist seit 2008 nicht untätig geblieben und hat die Systemstabilität deutlich erhöht. Insbesondere wurden die Too-big-to-fail-Problematik angegangen und die Eigenkapitalanforderungen deutlich verschärft. Das Verbot von Sichtguthaben ist deshalb unnötig. Es hat zudem einen hohen Preis: Den Banken wäre es künftig verboten, diese Guthaben zur Finanzierung von Krediten zu nutzen. Sie hätten noch zwei Möglichkeiten, um beispielsweise Hypotheken zu finanzieren. Erstens müssten sie über den gleichen Betrag an Sparguthaben verfügen oder zweitens müssten sie einen Kredit bei der SNB nachfragen. Da das Kreditvolumen in der Schweiz die Sparguthaben übersteigt, wäre eine weitgehende Verstaatlichung der Kreditvergabe die Folge.
Es lässt sich leicht ausrechnen, welchem politischen Druck die SNB damit ausgesetzt wäre – nicht nur im Bereich der Kreditmengensteuerung, sondern auch im Hinblick auf die hohen Geldausschüttungen. Die Initianten versprechen, dass man damit Sozialwerke sanieren oder Steuern senken könnte. Damit aber nimmt man der SNB die Möglichkeit einer unabhängigen, allein der Preisstabilität verpflichteten Geldpolitik. Der Widerstand der Beschenkten wäre enorm, wenn der jährliche Geldsegen plötzlich ausbliebe. Noch schwieriger würde es, wenn die Nationalbank die Geldmenge aufgrund hoher Inflation reduzieren müsste. Denn verschenktes Geld innert nützlicher Frist wieder einzuziehen, ist nur schwer möglich. Heute erhöht die SNB die Geldmenge, indem sie neu geschaffene Franken in Devisen, Aktien oder Anleihen investiert, die sie nötigenfalls wieder abstossen kann. Muss sie das Geld aber verschenken, dann fehlt ihr diese Möglichkeit.
Kurzum: Vollgeld ist weder nötig noch sinnvoll, sondern höchst gefährlich.
Quelle: economiesuisse
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