09. März 2016
Wird das Baselbiet zur Bildungsinsel?
Die Bildungsharmonisierung zwischen den beiden Basel droht bei der nächsten Abstimmung im Kanton Basel-Landschaft an der Urne zu scheitern. Die beiden im Landrat lancierten Bildungsinitiativen zur Kompetenzänderung bei der Einführung des Lehrplans 21 und zum Verzicht auf Sammelfächer sind entsprechend abzulehnen.
Am kommenden Abstimmungstermin vom 5. Juni 2016 werden zwei für die Bildungsharmonisierung der beiden Basel richtungsweisende, parlamentarische Initiativen im Kanton Basel-Landschaft dem Volk zur Abstimmung vorgelegt. Die Initianten fordern, dass nicht mehr wie jetzt der Bildungsrat, sondern neu der Landrat über die Einführung des Lehrplans 21 bestimmt. Mit der zweiten Initiative wollen sie verhindern, dass die vorgesehenen Sammelfächer im Unterricht umgesetzt werden. Per Gesetzesartikel sollen nur noch Einzelfächer gelehrt werden dürfen. Letztere Abstimmungsvorlage hat zur Folge, dass die aktuell (noch) harmonisierte Stundentafeln der beiden Basel nicht mehr übereinstimmen werden. Eine Errungenschaft, die man nicht leichtfertig aufs Spiel setzen darf: Eine harmonisierte Bildungsregion Basel ist für die lokale Wirtschaft von grösster Bedeutung. Bildungseffizienz, erleichterter Leistungsvergleich für Ausbildungsbetriebe und flexible Mobilität von Fachkräften mit ihren Familien sind nur einige von vielen Vorteilen der Bildungsharmonisierung. Der Vorstand der Handelskammer ruft daher in seiner Parolenfassung vom 25. Februar 2016 zu einem klaren Nein zu den beiden Vorlagen auf.
Bildungsrat oder Landrat: Wer soll beim Lehrplan 21 das Sagen haben?
Die parlamentarische Initiative zur Kompetenzänderung bei der Einführung des Lehrplans 21 fordert, dass der Landrat und damit ein politisches Gremium darüber bestimmt, ob der Lehrplan 21 eingeführt wird oder nicht. De Facto steht dieser Entscheid aber bereits rechtsgültig. Der Bildungsrat hat entschieden, den Lehrplan 21 auf Stufe Kindergarten und Primarschule im Schuljahr 2015/16 und auf Stufe Sek. I im Schuljahr 2018/19 einzuführen. In der Primarschule wird dementsprechend bereits mit dem Lehrplan 21 gelernt. Und auch wenn dies die Initianten vielleicht gerne anders gesehen hätten, so hat der Übergang zum umstrittenen Lehrplan gut funktioniert.
Die Einführung des Lehrplans 21 zeigt exemplarisch, welche Auswirkungen eine Kompetenzänderung mit sich bringen würde: Pädagogische und übergeordnete Interessen würden nicht mehr im Fokus stehen, sondern müssten für politische Auseinandersetzungen herhalten. Der Lehrplan 21 wie auch andere Lehrpläne müssen daher durch ein Fachgremium festgesetzt werden und eignen sich nicht für gesellschaftspolitische Bildungsdebatten.
Sammelfächer: Ja oder Nein?
Der Lehrplan 21 sieht eine Zusammenführung der Einzelfächer Geschichte, Geografie, Physik, Biologie, Chemie, Hauswirtschaft und Wirtschaftskunde in die Sammelfächer «Räume, Zeiten, Gesellschaft», «Natur und Technik» und «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt» auf der Sekundarstufe I vor. Die Initianten behaupten, dass diese Sammelfächer einen Bildungsabbau nach sich ziehen, und wollen deren Einführung verhindern. Es gibt im europäischen Raum nur vier empirische Studien, die über die Auswirkungen von Sammelfächern oder getrennt unterrichteten Fächern Auskunft geben können. Aus diesen Studien resultierte, dass bei den Schülerinnen und Schülern kein Qualitätsabbau festgestellt werden konnte, allerdings auch keine Verbesserung. Positive Auswirkungen konnten allerdings bei Mädchen festgestellt werden, die sich bei Sammelfächern viel interessierter für naturwissenschaftliche Fächer zeigten. Zudem wurde das vernetzte Denken bei allen Schülerinnen und Schülern stärker gefördert als bei Jugendlichen, die in Einzelfächern geschult wurden.
Auch das Argument der Initianten, dass die Sammelfächer höhere Kosten zur Folge haben, ist eine sehr kurzfristige Sichtweise. Der Verzicht auf ein neues Lehrmittel wird zwar unbestritten Kosten einsparen. Längerfristig wird aber ein eigens für den Kanton Basel-Landschaft konzipiertes Lehrmittel mit Sicherheit ein Vielfaches der Kosten mit sich bringen, als wenn bereits entwickelte Lernmaterialien genutzt werden können. Dasselbe gilt für die Ausbildung von Lehrpersonen: Aufgrund der Tatsache, dass die Pädagogische Hochschule vier Trägerkantone hat, sind Lösungen für die gesamte Region nötig. Der Kanton Basel-Landschaft läuft sonst Gefahr, eine Insel in der Bildungslandschaft Nordwestschweiz zu werden.
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