02. Januar 2016
Wirtschaft 2016: Chancen und Herausforderungen
Um den Jahreswechsel herum veröffentlichen Schweizer Medien stets Rück- und Ausblicke auf das politische und wirtschaftliche Geschehen. Fürs 2016 zollen Politiker und Journalisten den anstehenden Herausforderungen grossen Respekt.
Bundespräsident Johann Schneider-Ammann hat in seiner Neujahrsansprache dazu aufgerufen, den bilateralen Weg und damit die Souveränität der Schweiz zu sichern. Das Land müsse mutig nach vorne schauen. «Wenn es ringsum brodelt, tut man gut daran, sich auf seine Stärken zu besinnen». Und das sei möglich, denn die Schweiz habe einzigartige Stärken. Kein Land sei wettbewerbsfähiger und innovativer.
Johann Schneider-Ammann sieht drei Hausaufgaben, die es zu meistern gilt. Erstens: Sichern des bilateralen Wegs und damit sichern unserer Souveränität. Zweitens seien starke Unternehmen der beste Garant für Arbeitsplätze. «Sorgen wir mit freiheitlichen Rahmenbedingungen dafür, dass das so bleibt.» Drittens brauche es Mut, um überfällige Reformen wie jene der Altersvorsorge rechtzeitig umzusetzen.
Heinz Karrer, Präsident des Unternehmensdachverbandes economiesuisse, macht sich «grosse Sorgen» um die Schweizer Wirtschaft, wie er im Interview mit der SonntagsZeitung sagt. Schon im letzten Jahr seien Tausende Arbeitsplätze abgebaut und ins Ausland verlagert worden. «Ich befürchte, dass dieser Prozess erst am Anfang steht, denn 2016 können wir keinen grossen Aufschwung erwarten», sagt Karrer.
Nicht nur KMU, sondern auch grosse Konzerne würden inzwischen Stellen abbauen. «Sie lagern Funktionen in der Beschaffung, im Rechnungswesen oder in der Informatik aus, zum Beispiel nach Osteuropa, Grossbritannien oder Indien.» Karrer geht davon aus, dass die Unternehmen auch in diesem Jahr «einige Tausend Arbeitsplätze von der Schweiz ins Ausland verlagern werden.»
Neben dem starken Franken würden auch andere Faktoren diesen Prozess beschleunigen – «die politische Unsicherheit in der Schweiz nach dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative oder die Digitalisierung der Wirtschaft, etwa durch den zunehmenden Einsatz von Robotern.»
In seinem Leitartikel der bz nordwestschweiz schreibt Chefredaktor Christian Dorer: «Die Wirtschaft hat den Euro-Schock vom 15. Januar erstaunlich gut weggesteckt. Die Schweiz ist weiterhin eine Insel der Glückseligen. Und doch: Unsere Abhängigkeit vom Ausland ist grösser, als uns lieb ist. Alle grossen Herausforderungen der Schweiz hängen mit dem Ausland zusammen – Insel hin oder her.»
Weiter schreibt Dorer: «2016 wird erneut ein Jahr der gefährlichen Abstimmungen. 2015 kamen sie von links (etwa die Erbschaftssteuerinitiative) und wurden abgeschmettert. Jetzt kommen sie von rechts – bereits am 28. Februar mit der Durchsetzungsinitiative: Niemand ist gegen die Ausschaffung von Verbrechern – aber wollen wir wirklich das Prinzip der Verhältnismässigkeit abschaffen, sodass auch die Putzfrau ausgeschafft würde, die die AHV nicht korrekt abgerechnet hat? Hier geht es um die Frage, ob sich die Schweiz aus der westlichen Wertegemeinschaft verabschiedet.»
Eric Gujer, Chefredaktor Neue Zürcher Zeitung portiert in seinem Artikel «Eine Klausel ist noch keine Strategie», dass die Überlegungen des Bundesrats zur Begrenzung der Migration aus der EU ein kluger Schachzug der Diplomatie sei. Und warnt etwas später: «Die Schutzklausel kommt als typischer helvetischer Formelkompromiss daher, der keinen zufriedenstellt: nicht die Befürworter der Masseneinwanderungsinitiative, weil der Zustrom aus dem Ausland ganz offensichtlich nur in kleinster Dosis reguliert werden soll; und ebenso wenig die Anhänger eines offenen und wettbewerbsfähigen Arbeitsmarktes, da sich die Kollateralschäden nicht absehen lassen und so die Verunsicherung wächst.»
Der Basler Volkswirtschaftsdirektor Christoph Brutschin sagt im Interview in der Basler Zeitung, dass er grundsätzlich froh sei, wenn in derart anspruchsvollen Zeiten, Branchen wie Pharma, Medtech, Präzisionsinstrumente und Versicherungen überhaupt zulegen können. Dass der Wirtschaftsstandort Basel gut positioniert ist, sieht man auch an der stabilen Anzahl von Ansiedlungen. Diese entwickeln sich im Rest der Schweiz sonst eher rückläufig.
Weiter führt er aus, dass Firmen punkto Unternehmenssteuerreform III erwarten, dass eine Lösung für die wegfallenden Steuerregimes gefunden wird. «Jetzt gilt es, die weiteren parlamentarischen Beratungen in dieser für Basel zentralen Frage zu begleiten und die Beratungen abzuwarten. Eine Gewinnsteuersenkung in Basel wird die Unternehmenssteuerreform ergänzen. In diesem Zusammenhang haben wir in der Regierung schon verschiedene Szenarien diskutiert. Inzwischen rechnen wir nicht mehr mit Mindereinnahmen durch die Reform in dreistelliger Millionenhöhe, sondern bewegen uns in einem zweistelligen Bereich. 2016 werden wir in dieser Frage klarer sehen.»
Joël Hoffmann aus der Basellandredaktion der Basler Zeitung sieht für den Landhalbkanton ein turbulentes Jahr, das vor uns liegt, das «geprägt sein wird von Wahlen, Diskussionen um Spitäler, Spardruck und von einer bürgerlich dominierten Baselbieter Politik, die erst noch beweisen muss, dass sie den Kanton vorwärts bringen kann.» und stellt Fragen: «Wie geht es weiter mit den Kantonsfinanzen? Wie mit der Verkehrspolitik? Elba wurde abgelehnt, tägliche Staus. Wie weiter in der Bildung?»
Sogar brisant sieht er den Herbst und Winter 2016: «In Basel-Stadt werden der Grosse Rat und der Regierungsrat neu gewählt. Die Zusammensetzung von Regierung und Parlament wird Auswirkungen haben auf das Verhältnis zwischen Stadt und Land.» Und: «Eine weitere Prüfung für die Partnerschaft kommt ebenfalls im Herbst 2016 auf beide Basel zu. Dann soll endlich bekannt werden, wie sich die Regierungen aus Stadt und Land die gemeinsame Spitalgruppe von Unispital Basel und Kantonsspital Baselland vorstellen. Nebst administrativen Fragen nach der künftigen juristischen Struktur wird vor allem interessieren, was aus dem Bruderholzspital werden soll.»
Sicher agieren, auch in unsicheren Zeiten
In diesem anspruchsvollen Umfeld wird die Handelskammer beider Basel weiterhin wirtschaftspolitische Themen umsichtig und im Sinne unseres Wirtschaftsstandorts bearbeiten und vorantreiben. Ganz unter dem Motto, das im Leitbild «Von der Wirtschaft für die Region» zu finden ist: «Die Region Basel weiss, was sie will. Sie agiert sicher, auch in unsicheren Zeiten.»
Diese Dossiers sind für den Wirtschaftsverband prioritär und sind deshalb hoch oben in der Kammeragenda angesiedelt:
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Der Schweizerische Innovationspark Nordwestschweiz in Allschwil schafft die Grundlage für mehr Forschungs- und Entwicklungskooperationen in den Life Sciences und für Neugründungen von Unternehmen.
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Die Unternehmenssteuerreform III trägt dazu bei, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Region aufrechterhalten bleibt.
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Die Rechtssicherheit am EuroAirport Basel-Mulhouse ist für künftige Investitionen der Schweizer Unternehmen entscheidend.
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Bei Arealtransformation (z. B. Dreispitz, Volta Nord, Wolf, etc.) sind Wirtschaftsflächen im Interesse des Werkplatzes Schweiz zu erhalten.
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Verkehrsinfrastrukturen (z. B. Rheintunnel, Durchmesserlinie Herzstück Regio S-Bahn, Trimodales Containerterminal Basel Nord, etc.) sichern in Zukunft die Erreichbarkeit der Region und der Unternehmen.
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Mit den Revisionen der Energiegesetzgebung drohen ein Kostenschub für Unternehmen und damit ein Wettbewerbsnachteil gegenüber dem Ausland.
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Eine harmonisierte Bildungslandschaft (z. B. Lehrplan 21) und eine qualitative Förderung (z. B. MINT, tunBasel) der Berufsbildung stärken die Unternehmen bei der Rekrutierung von Fachkräften.
Martin Dätwyler, stellvertretender Direktor und Leiter Standortpolitik, meint: «Die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens und auch die Attraktivität eines Standortes sind keine Selbstverständlichkeit. Kontinuierliche Arbeit von Wirtschaft, Politik und Verwaltung für günstige Rahmenbedingungen, Innovation und Effizienz sind nötiger denn je. An der Schnittstelle der verschiedenen Stakeholder agiert die Handelskammer beider Basel von der Wirtschaft für die Region.»