15. Januar 2016
Freie Wahl ist für einmal die falsche Wahl
Am 28. Februar 2016 wird im Kanton Basel-Stadt über die Initiative «für eine freie Wahl aller Wahlpflichtfächer in der Sekundarschule» abgestimmt. Die Initiative zielt in die falsche Richtung. Im Hinblick auf den bestehenden Fachkräftemangel in der Schweiz ist die Initiative deshalb abzulehnen.
Die Schweiz beklagt einen akuten Mangel an Ingenieurinnen und Ingenieuren und allgemein an Fachpersonen im Bereich der Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, dem sogenannten «MINT-Bereich». Die Gründe, weshalb die MINT-Fächer in unserem Land allgemein und besonders bei Schülerinnen wenig beliebt sind, sind vielfältig und kulturell tief verwurzelt. Die Interessensbildung geschieht bereits im Vorschul- und im frühen Schulalter.
Der Fachkräftemangel im MINT-Bereich in der Schweiz ist erkannt und wird politisch breit diskutiert. Laut einer Studie des SECO vom letzten Jahr gibt es in der Schweiz bei den Ingenieuren, Informatikern und Technikern eine weit überdurchschnittlich hohe Zuwanderung, eine unterdurchschnittliche Arbeitslosenquote und eine überdurchschnittliche Quote der offenen Stellen. Diese Indikatoren lassen kaum Zweifel zu, dass Inländer den Fachkräftebedarf der Unternehmen nicht decken.
Ein Grund dafür ist u. a. das geringe Interesse von jungen Menschen, insbesondere von Mädchen, für die MINT-Fächer. Zwei Massnahmenstränge drängen sich auf:
- Erstens müssen junge Menschen in der Schweiz – möglichst früh – für mathematische, informatische, naturwissenschaftliche und technische Themen interessiert und motiviert werden, damit sie später in der Schule entsprechende Fächer belegen und ihr Interesse vertiefen.
- Da es dauert, solche strukturellen Ursachen zu ändern, bleibt zweitens eine liberale Zuwanderungspolitik für die Schweiz wichtig, um den Bedarf an Fachkräften auch mittelfristig abdecken zu können.
Den Fachkräftemangel gilt es von der Basis aus zu bekämpfen
Der Erziehungsrat Basel-Stadt hat im 2012 mit dem «Wahlmodus der sieben Wahlpflichtfächer für die 2. und 3. Sekundarschulklasse» dem MINT-Umstand Rechnung getragen. Demnach müssen alle Schülerinnen und Schüler des Leistungszugs P (höchstes Leistungsniveau) als erstes Wahlpflichtfach ein «MINT»- oder «Lingua»-Fach wählen und haben dann fürs zweite Wahlpflichtfach auch die Möglichkeit, sich für ein Fach aus dem musisch-gestalterischen Bereich zu entscheiden.
Die Initiative «für eine freie Wahl aller Wahlpflichtfächer in der Sekundarschule» möchte nun die Wahlfreiheit aller Fächer des P-Zuges erreichen. Dies würde bei Annahme bedeuten, dass die Schülerinnen und Schüler auch zwei musisch-gestalterische Fächer wählen und dadurch auf MINT- oder Lingua-Fächer verzichten könnten.
Dies erachtet die Handelskammer beider Basel – im Hinblick auf den Fachkräftemangel in der Schweiz – als äusserst problematisch. So hat sie zu ihrer NEIN-Parole auch eine stichhaltige Erklärung mitgeliefert:
Die Handelskammer setzt sich für eine leistungsorientierte Sekundarschule ein und führt eine engagierte Kampagne gegen diese Initiative. Zunehmend fehlen der Wirtschaft Fachkräfte im MINT-Bereich, da Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik-Fächer in der Beliebtheitsskala von Schülerinnen und Schüler oftmals nicht an oberster Stelle stehen. Dabei sind genau diese Fächer für die weiterführende Sekundarstufe II, sei das nun in der Berufsbildung oder am Gymnasium, äusserst wichtig, um den Fachkräftemangel von der Basis aus zu bekämpfen. Dass der Erziehungsrat durch eine sanfte Lenkung die Schülerinnen und Schüler des P-Zuges dazu bringt, sich zwischen MINT- oder Lingua-Fächern (Italienisch oder Latein) entscheiden zu müssen, ist positiv zu bewerten.
Die Handelskammer beider Basel lehnt die Initiative aus folgenden Gründen ab:
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NEIN zu schleichendem MINT-Fachkräftemangel. Die Anforderungen an die naturwissenschaftlichen und sprachlichen Kompetenzen in den Ausbildungsgängen der Sekundarstufe II steigen stetig. Es ist sinnvoll mit der Einschränkung der Wahlfreiheit bei den Pflichtwahlfächern den Leistungsanspruch im Niveau P ernst zu nehmen. Das Niveau P soll auf anspruchsvolle Anschlüsse an der Sekundarstufe II vorbereiten, wofür eine zusätzliche Vertiefung im naturwissenschaftlichen oder sprachlichen Bereich zwingend ist.
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NEIN zu einseitiger Bildung. Musisch-gestalterische Fächer können – nach der Wahl eines MINT- oder Lingua-Fachs – weiterhin belegt werden. So bleibt eine breitabgestützte Ausbildung möglich. Die Wahl von zwei Kunstfächern ist hingegen für keinen Ausbildungsgang der Sekundarschule sinnvoll.
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NEIN zu Kompetenz-Verlust des Erziehungsrates. Entscheidungskompetenz über Lehrplan, Stundentafel und wichtige Vorgaben zur Umsetzung sollen beim Erziehungsrat belassen werden. Es ist pädagogisch wichtig, Schwerpunkte setzen zu können.
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NEIN zu unterschiedlichen Stundentafeln in Stadt und Land. Die weitgehend gleiche Stundentafel von Basel-Stadt und Basellandschaft ist ein Meilenstein in der bikantonalen Zusammenarbeit. Dies soll nicht durch abweichende Einzelvorschriften gefährdet werden.
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